Die Dinge in ihrer Polarität (Sir 33,7-33,15)
Lit.: U. Wicke-Reuter, Göttliche
Providenz und menschliche Verantwortung bei Ben Sira und in der Frühen
Stoa (BZAW 298), Berlin/New York 2000, 172.175-177; G. L. Prato, Il problema
della teodicea in Ben Sira. Composizione di contrari e richiamo alle origini
(AnBib 65), Rom 1975, 13-61, besonders 54; J. Marböck, Gerechtigkeit
Gottes und Leben nach dem Sirachbuch. Ein Antwortversuch aus seinem Kontext,
in: J. Jeremias (Hg.), Gerechtigkeit und Leben im hellenistischen Zeitalter.
Symposium anläßlich des 75. Geburtstags von Otto Kaiser (BZAW
296), Berlin/New York 2001, 21-52:40. Hellenistische Argumente bei der
Bewältigung der jüdischen Sinneskrise hat O. Kaiser, Die
Bedeutung der griechischen Welt für die alttestamentliche Theologie
(Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, I. Philologisch-Historische
Klasse, Jahrgang 2000, Nr. 7), Göttingen 2000, 305-344:325-335 in
Ijob, Koh und Sir aufgewiesen.
Ben Sira, der grundsätzlich traditionellere Positionen als Kohelet
vertritt, geht in der Frage polarer Strukturen einen Schritt weiter als
dieser und versucht hinter der Polarität der Erscheinungen eine höhere
Einheit der Schöpfung zu entdecken. Dabei kommt er zu einem im Kontext
alttestamentlicher Theologie ungewöhnlichen und originären Weg
der Krisenbewältigung, dem Grundgesetz von der gottgewollten Entsprechung
der Polaritäten in der Schöpfung:
Sir 33,13-15 (nach HE)
Vgl. U. Wicke-Reuter, Göttliche Providenz
und menschliche Verantwortung bei Ben Sira und in der Frühen Stoa
(BZAW 298), Berlin/New York 2000, 224-273.
13 Wie Ton in der Hand des Töpfers,
um ihn zu formen nach seinem Belieben,
so ist der Mensch in der Hand seines Schöpfers,
so dass sich einstellt von ihm her sein
Anteil.
14 Gegenüber dem Bösen ist das
Gute,
und gegenüber dem Leben der Tod,
gegenüber dem Guten ist der Frevler
und gegenüber dem Licht die Finsternis.
15 Schau hin auf alle Werke Gottes:
Alle sind sie paarweise,
eins entspricht dem andern.
Dieses Gesetz der Einheit der Polarität in der Schöpfung ist
bei Ben Sira kein Dualismus und formuliert auch keinen Determinismus, wie
auch das Töpfergleichnis in Jer 18,6, worauf diese Passage aufbaut,
die Freiheit der "missratenen Gefäße" beinhaltet. Mit diesem
Grundgesetz kann er die Krise der weisheitlichen Deutung der Welt in der
Theodizee, wie sie bei Ijob und Koh aufbricht, verarbeiten und eine neue
Synthese anbahnen:
"Ben Sira gibt dort eine überraschende
Antwort auf die Frage nach dem Sinn der Entzweiung der Welt in Gut und
Böse. Wie die Stoiker vertritt er die Auffassung, daß es das
Gute nicht ohne das Böse geben kann.
...
Selbst wenn alle Menschen in actu gut
wären, dann wäre, wegen der menschlichen Freiheit, das Böse
potentialiter notwendig."
[ U. Wicke-Reuter, Göttliche
Providenz und menschliche Verantwortung bei Ben Sira und in der Frühen
Stoa (BZAW 298), Berlin/New York 2000, 257.]
Jan Liesen, Full of Praise. An Exegetical Study of
Sir 39,12-35 (JSJ.Sup 64), Leiden/Boston/Köln 2000, 260-261 zeigt
in Sir 39 Inkonsistenzen im Gebrauch des Ausdrucks
"Werke Gottes" auf und erkennt in der dort entwickelten Theorie des doppelten
Aspekts der Wirklichkeit "an unsatisfactory explanation" (282). Das Konzept
der Einheit der Gegensätze in Sir 33 hat aber eine andere Nuance als
die zurecht als rationalistisch gescholtene Argumentation des doppelten
Aspekts der Wirklichkeit in Sir 39 (Alles erweist sich zu seiner Zeit als
gut oder böse).
Diese Synthese hat alte Ausleger des Sirachbuches
in besonderer Weise fasziniert. Cornelius de Lapide, In Ecclesiasticum,
Paris 1642, 218-221 diskutiert die Ansätze der coincidentia oppositorum
bei Jesus Sirach sowie den von ihm abhängigen christlichen Schriftstellern
(Augustinus, Isidor) und der ivsonomi,a
bei griechischen und lateinischen Autoren (Aristoteles, Epikur, Galen,
Seneca) und ergründet als Quelle der Einheit der Gegensätze die
göttliche Trinität: "Sicut ergo summa oppositio Personarum S.
Trinitatis desinit & coït in summam vnitatem & identitatem
Essentiæ diuinæ: sic omnis nostra oppositio coëat in vnitatem
concordiæ & charitatis." (221).]
Eine Schlußnotiz (Sir 33,16-19)
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Lit:
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Eine Schlußnotiz unterbricht hier die Zusammenstellung der thematischen
Einheiten. Ben Sira versteht sich als einer, der im Gefolge der Weisheitslehrer
Israels sogar Weisung für die Anführer und Leiter der Gemeinde
geben kann.
Ihr Kommentar zu Sir 33
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